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EuGH zum Vorsteuerabzug bei gemischtgenutzten Gebäuden

Mit Urteil vom 8. 11. 2012 – C-511/10 hat der Europäische Gerichtshof (EuGH) entschieden, dass das europäische Recht den Nationalstaaten erlaubt, vorrangig einen anderen Vorsteueraufteilungsschlüssel als die Aufteilung nach dem Verhältnis der Umsätze vorzuschreiben, allerdings nur „vorausgesetzt, die herangezogene Methode gewährleistet eine präzisere Bestimmung dieses Pro-rata-Satzes“. Der Bundesfinanzhof (BFH) hatte ihm die Frage vorgelegt ob die Regelung des § 15 Abs. 4 Umsatzsteuergesetz mit Gemeinschaftsrecht vereinbar ist. Sie schreibt vor, dass eine Ermittlung des nicht abziehbaren Teils der Vorsteuerbeträge nach dem Verhältnis der Umsätze, die den Vorsteuerabzug ausschließen, zu den Umsätzen, die zum Vorsteuerabzug berechtigen, nur zulässig ist, „wenn keine andere wirtschaftliche Zurechnung möglich ist“. Damit hat der deutsche Gesetzgeber faktisch vorgeschrieben, dass bei gemischtgenutzten Gebäuden die Vorsteueraufteilung nach dem Verhältnis der Flächen vorgenommen werden muss, weil der BFH diese Aufteilungsmethode als mögliche wirtschaftliche Zurechnung anerkannt hatte. Allerdings hat der BFH auch die Aufteilung nach den erzielten Umsätzen als sachgerechte Aufteilung anerkannt. Die heutige Gesetzesfassung ist eine direkte Reaktion des Gesetzgebers auf diese Rechtsprechung gewesen, die der Fiskus nicht wollte.

 

Worum geht es? Wer ein Gebäude errichtet, das z.B. im Erdgeschoß teuer vermietete Ladenflächen in bester Lage, darüber Büroetagen und darüber noch einige Wohnungen aufweist, erzielt aus der steuerpflichtigen Vermietung der gewerblichen Einheiten die weit überwiegenden Einnahmen. Selbst wenn die Wohnungen 30% der gesamten Mietfläche ausweisen, werden für sie vielleicht nur 10% der gesamten Miete bezahlt. Der deutsche Gesetzgeber zwingt den Unternehmer konkret bei Gebäuden, gleichwohl 30% der von ihm gezahlten Vorsteuern als der steuerfreien Wohnungsvermietung zuzuordnen zu behandeln und damit den Vorsteuerabzug auszuschließen. Der Streit drehte sich um die Frage, ob dies mit Gemeinschaftsrecht vereinbar ist, dass die Zuordnung nach erzielten (steuerfreien bzw. steuerpflichtigen) Umsätzen als den Regelfall vorschreibt, der in Deutschland nach der Gesetzeslage faktisch aber niemals zur Anwendung kommen kann.

 

Der Streit ist damit noch nicht entschieden, denn der EuGH hat sich in seinem Urteil feinsinnig zurückgehalten. Er meint, dass den nationalen Gesetzgebern aus den in der europäischen Mehrwertsteuerrichtlinie enthaltenen Ausnahmeermächtigungen durchaus das Recht zusteht, für gemischtgenutzte Gebäude vorrangig einen anderen Aufteilungsmaßstab vorzuschreiben. Das gelte aber nur, wenn diese Methode zu präziseren Ergebnissen führe als die Aufteilung nach den Umsatzverhältnissen. Ob das der Fall sei, so der EuGH, entscheide das nationale Gericht selbst. Damit liegt der Fall wieder beim BFH. Der hat bisher die Aufteilung nach Flächen oder nach Umsätzen als sachgerechte Schätzungsmethode anerkannt und wird nun darüber befinden müssen, ob die in Deutschland vorgeschriebene Aufteilung nach Flächen die präziseren Ergebnisse liefert.

 

Es empfiehlt sich deshalb, die Umsatzsteuerveranlagungen bei Vorliegen entsprechender Sachverhalte weiterhin offen zu halten.

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